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Kemmelberg

Erste Elite 3.Teil: Was wir (nicht) wissen über die Kemmelberger Kelten

J L Putman & M Soenen

Kemmelberg Kontakte

Der Kemmelberg scheint vor allem im fünften und vierten Jahrhundert v. Chr. eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Die weitläufige Region war damals vor allem durch zahlreiche kleine landwirtschaftliche Gemeinschaften geprägt.

Der lokale Einfluss der Kemmelberg-Kelten ist kaum bekannt, vor allem wegen der katastrophalen Zerstörung im Ersten Weltkrieg. Jüngste Funde in Poperinge (Belgien) liefern jedoch einen ersten Hinweis. In einer Grube wurden fünf irdene Töpfe gefunden. Es handelt sich um eine rituelle Lagerstätte am Rande der Bommelaersbeek (Poperinge), zehn Kilometer vom Kemmelberg entfernt.

Rituelle Hinterlegung von fünf irdenen Töpfen, Poperinge, Belgien
Foto © Ruben Willaert BVBA

Rituelle Hinterlegung von fünf irdenen Töpfen, Poperinge, Belgien.

Nach der Restaurierung ähneln die fünf Töpfe sehr stark denen der Kemmelberg-Kelten.

Restaurierte irdene Töpfe, Poperinge
Foto © Ruben Willaert BVBA

Restaurierte irdene Töpfe, Poperinge.

Der weitreichende regionale Einfluss erstreckt sich über weite Teile des Scheldebeckens, insbesondere im Süden und Nordosten, bis zu einer Entfernung von mehr als hundert Kilometern. Ein Beweis dafür sind die Scherben von Kemmelware, die in mehreren reicheren Stätten gefunden wurden.

Östlich gelegene, mehr als 130 km entfernte Hügelkuppen - wie die Kesterheide und der Kesselberg - scheinen von analogen, weniger einflussreichen Elitegruppen bewohnt worden zu sein, die möglicherweise mit den Kemmelberg-Kelten verwandt waren.

Das Netzwerk der Kemmelberger war besonders groß und vielfältig. Einige Funde deuten auf Kontakte - insbesondere in Bezug auf Salz - aus dem Rheingebiet und dem Rheindelta zwischen dem Süden der Niederlande und dem Kempischen Plateau hin. Die stärksten Kontakte gab es wahrscheinlich in der Region Aisne-Marne. Diese Gebiete sind 150-200 km vom Kemmelberg entfernt. Die Kontakte zum Mittelmeerraum, zu denen sicherlich auch die Etrusker gehören, waren rund 1000 km vom Kemmelberg entfernt.

Kemmelberg Kontakte
Foto © J L Putman & W Willems

Kemmelberg Kontakte - Kemmelware: rote Umrandung - Kontakte: gelbe Umrandung und Pfeil - Mediterrane Kontakte: schwarze und grüne Umrandung und Pfeil - Salz: blauer Pfeil.

Kemmelware-Topfscherben wurden auf der Höhenfestung von Kooigembos, in Elversele (bei Temse an der Schelde, 100 km vom Kemmelberg entfernt) und auch im nur 25 km entfernten Houplin-Ancoisne (Lille in Frankreich) gefunden.

All diese Kontakte weisen auf einen spezifischen Kontext hin, der sich von anderen Regionen unterscheidet, wie z. B. von den insularen Wallburgen im Vereinigten Königreich, die viel näher gelegen sind und deren Einfluss gewöhnlich nicht so weit reichte.

Bislang wurden auf dem Kemmelberg weder Waffen noch Spuren von Zerstörung oder gar Feuer gefunden.

Auffallend ist auch, dass eine Reihe von Schmuckstücken und anderen Funden eindeutig auf die Anwesenheit von Frauen in der Elitegruppe hinweisen. Im Gegensatz zu den alten Griechen spielten die Frauen in der keltischen Gesellschaft eine herausragende Rolle.

Alles in allem kann man sagen, dass die Kemmelberg-Elite eine große Region beeinflusst hat. Ob es sich dabei um einen friedlichen Prozess handelte, ist nicht bekannt, ebensowenig wie die Gründe, warum der Kemmelberg als Siedlungszentrum gewählt wurde. Vielleicht war es eine Mischung aus Gründen: symbolische Gründe, die sich unserer heutigen Aufmerksamkeit entziehen (wie die höchste Lage, verfügbare Wasserquellen oder die rote Farbe des Bodens und der Steine), zeitgenössische Ausbeutung (Verfügbarkeit von Wasser oder vielleicht für die Eisenproduktion), Kontrolle über die Handelsverbindungen und den Salzhandel zwischen Küstenregion und Peripherie, oder sogar Ausbeutung der Landwirte, ihrer Ernten und auch ihres Lebens...

Vielleicht sollte der Kemmelberg nicht wirklich als zentraler Ort der Macht dargestellt werden, sondern eher als eine Art Brennpunkt, Tor oder Schnittstelle eines größeren Gemeinwesens, das die Kommunikation zwischen mindestens zwei kulturellen Zonen regelte: der hügeligen Zone im Süden - etwa oberhalb von Seine/(Aisne)/Marne - und der flachen Zone im Norden bis Nordosten, etwa zwischen der Nordsee und großen Teilen des Scheldebeckens und des Rheindeltas.

Archäologische Funde haben bisher nicht die Vorstellung einer Kommunikation und eines Kontakts mit dem Küstengebiet bestätigt, wo ebenfalls Salz abgebaut wurde.

Grabhügel

Im Bereich des Kemmelbergs wurden (noch) keine Gräber gefunden. Die durch den Ersten Weltkrieg verursachte Zerstörung ist wahrscheinlich der Hauptgrund dafür. Aber auch an anderen Stellen in der weiten Umgebung sind Reste von Bestattungen oder Gräbern selten zu finden.

In der Mitte eines künstlichen Hügels (Grabhügel?) an der Südflanke des Kemmelbergs wurden jedoch Ausgrabungsspuren gefunden, jedoch ohne ein echtes Grab. Dies ist immer noch üblich, ein Grabhügel ohne Grab ist nicht außergewöhnlich. Der vermutete Grabhügel ist noch 3,5 m hoch und hat einen Durchmesser von 30 m. Er wurde in den Jahren 1974-1975 teilweise ausgegraben. Der Grabhügel besteht aus weißem Sand, der von weiter oben auf dem Hügel kommt. In der Mitte wurde eine leere Grube von 3 m auf 2 m gefunden.

Geophysikalische Vermessung des Grabhügels Kemmelberg, 2009
Foto © J L Putman

Geophysikalische Vermessung des Grabhügels Kemmelberg, 2009.

Was geschah nach den Kemmelberger Kelten? Verschiebung des Schwerpunkts?

Die letzten Spuren, die die Kemmelberger Adeligen hinterlassen haben, stammen aus dem vierten Jahrhundert v.Chr., vielleicht auch teilweise aus dem dritten Jahrhundert v.Chr.

Ab dem zweiten Jahrhundert v. Chr. gibt es einige Bewegungen auf dem Mont Cassel (Kasselberg) in Nordfrankreich. Dieser Hügel bildet den westlichen Abschluss einer Reihe von Zeugenhügeln, die sich über Nordfrankreich und Westflandern erstrecken. Er befindet sich knapp 25 km westlich von Kemmelberg. Unter römischer Herrschaft wurde dieser Ort zum Castellum Menapiorum, dem Hauptort des Stammes der Menapii. Der Stamm der Menapii gehörte zu den Belgae. Sie bewohnten das sumpfige Gebiet zwischen den Flüssen Schelde und Aa und der Nordsee. Der Mont Cassel ist seit dem Mittelalter bewohnt.

Hat es eine Verschiebung der Besetzung und der Bedeutung vom Kemmelberg zum Mont Cassel gegeben? Oder ist der Kemmelberger 'Adel' weiter nach Süden gezogen oder gar ganz von der Bildfläche verschwunden?

Mont Cassel (Frankreich) mit dem höchsten Punkt um die Windmühle (weißer Pfeil).
Foto © C Rousseaux

Mont Cassel (Frankreich) mit dem höchsten Punkt um die Windmühle (weißer Pfeil).

Römer auf und um den Kemmelberg

Als die Römer ein Auge auf 'Gallia' geworfen hatten (Julius Caesar, 58-57 v. Chr.), war die Saat für die Entstehung echter Städte (so genannter 'oppida') bereits aufgegangen. Die keltische Gesellschaft stand damals bereits kurz davor, sich zu einer organisierten Staatsform zu entwickeln, anstatt eine lose Ansammlung von Stämmen zu bleiben. Die Zentralisierung von Macht und Reichtum machte es jedoch leichter, die keltischen Stämme zu besiegen. In den letzten Jahrhunderten vor dem Ende des ersten Jahrhunderts v. Chr. organisierte sich die keltische Gesellschaft mehr und mehr in größeren Einheiten. Stammesgebiete hatten oft einen Hauptort.

Der Kemmelberg gehörte zum Stammesgebiet der Menapii, aber der Hügel selbst war zu diesem Zeitpunkt schon fast verlassen. Die römischen Herrscher scheinen zunächst wenig Interesse an der menapischen Feuchtwildnis gehabt zu haben. Die Römer scheinen auf dem Kemmelberg nicht sehr aktiv gewesen zu sein.

LIDAR-Aufnahme des Kemmelbergs
Foto © L Urmel Ename Center

LIDAR-Aufnahme des Kemmelbergs,Gallo-römische Keramikfunde (0).

In der Vergangenheit wurden in der Region verstreute römische Funde gemacht. In Loker zum Beispiel - 3 km westlich des Kemmelberg-Kuppes - wurde bei der Ausgrabung einer mittelalterlichen Motte ('De Galooie') ein römisches Brandgrab gefunden. Der Verstorbene wurde auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Die Asche wurde in einer Holzkiste zusammen mit einem Topf beigesetzt. Das Grab stammt aus dem ersten Jahrhundert n. Chr.

'De Galooie' mit zugrundeliegendem gallo-römischen Brandgrab
Foto © CO7

'De Galooie' mit zugrundeliegendem gallo-römischen Brandgrab

Unmittelbar hinter der französischen Grenze in Bailleul (Belle), 9 km südwestlich des Kemmelbergs, gab es eine bedeutende römische Präsenz. Die Überreste einer römischen Villa wurden 2007-2008 ausgegraben, und wurden unmittelbar nach Beginn der römischen Herrschaft errichtet.

Ausgrabungen in Bailleul mit Fundament- und Mauerresten
Foto © Archéopole

Ausgrabungen in Bailleul mit Fundament- und Mauerresten.

Überraschenderweise wurden 2019 auch in Nieuwkerke (Heuvelland) Spuren einer römischen Villa entdeckt. Das Villengrundstück liegt vier Kilometer direkt südlich des Kemmelberg-Kuppes, auf der sekundären Hügelreihe und gleich an dem Aufstieg der Flanke zum Leietal.

 

 

Text Urheberrecht © Archeo Kemmelberg. Ein Originalbeitrag für die History Files: Kemmelberg.